Debatte um das «Lieblingskind»: Ein gesellschaftliches Tabu?
Als Eltern gibt es viele ungeschriebene Regeln. Eine davon ist, dass man kein Lieblingskind haben sollte. Doch ist diese Erwartung realistisch?
Ist es möglich, alle Kinder gleich zu lieben und ihnen die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken? Oder ist eine gewisse Präferenz natürlicher als wir denken?
Das Ganze ist ein sensibles Thema, an das sich nicht viele herantrauen. Die Meinungen darüber sind geteilt und reichen von strikter Ablehnung bis zur Akzeptanz einer unausgesprochenen Wahrheit.
Eine Frage des Herzens – oder des Verstandes
Viele Eltern beteuern vehement, dass sie keinerlei Vorlieben unter ihren Kindern haben. Sie argumentieren damit, dass sich Liebe nicht messen lasse und jedes Kind auf seine eigene Art geliebt werde.
Allerdings zeigen Studien einen anderen Trend – wie etwa eine aus dem Jahr 2005 an der University of California, Davis im US-Bundesstaat Kalifornien. Dort haben Untersuchungen an 384 Geschwisterpaaren und ihren Eltern ergeben, dass 65 Prozent der Mamas und 70 Prozent der Papas ein Lieblingskind hatten.
Es scheint menschlich zu sein, eine Präferenz für ein bestimmtes Kind zu entwickeln. Auch wenn viele das niemals zugeben würden.
Kinder spüren Ungleichbehandlung
Die meisten Eltern behaupten, all ihre Kinder gleich zu behandeln. Es ist allerdings fast unvermeidlich, Unterschiede zu machen – was die Geschwister meistens auch wahrnehmen.
Das kann bei den Betroffenen Gefühle von Ungerechtigkeit und Neid auslösen. In einigen Fällen sind sogar langfristige psychische Probleme die Folge.
Die Rolle der Gesellschaft
In einer idealisierten Vorstellung unserer Gesellschaft gibt es keine Lieblingskinder. Diese Haltung ist jedoch nicht immer realitätsgetreu – und bringt Eltern in eine Zwickmühle.
Sie stehen unter dem Druck, ihre Kinder gleich zu behandeln, während sie gleichzeitig mit ihren eigenen Gefühlen ringen. Auch dieser Konflikt kann die elterliche Beziehung zu den Kindern belasten.
Bewusstsein als Lösung?
Vielleicht liegt die Lösung des Problems darin, das Bewusstsein für diese Thematik zu schärfen. Statt die Angelegenheit zu tabuisieren, sollten wir offen darüber sprechen – und zwar ohne Angst vor Verurteilung oder Schuldzuweisungen.
Möglicherweise hilft diese Offenheit dabei, einen gesünderen Umgang mit dem Thema «Lieblingskind» zu finden. So können wir letztendlich auch den betroffenen Kindern besser gerecht werden.