Tiktok-Terror: Wie die 35-Sekunden-Videos unsere Kinder gefährden

Janine Karrasch
Janine Karrasch

Tiktok verändert Kindergehirne gefährlich. Studien zeigen: Sucht, Konzentrationsstörungen und psychische Schäden nehmen dramatisch zu.

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Tiktok kann süchtig machen, was zu exzessivem Medienkonsum führt, der schulische Leistungen und soziale Kontakte beeinträchtigen kann. - Depositphotos

Während dein Kind scheinbar harmlos durch bunte Videos scrollt, passiert etwas Beunruhigendes in seinem Gehirn.

Wissenschaftler schlagen Alarm: Tiktok verändert die Hirnstrukturen von Kindern und Jugendlichen auf eine Weise, die ihre Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen kann.

Wenn Kindergehirne süchtig werden: Dopamin-Overkill

Das Gehirn von Kindern und Jugendlichen befindet sich noch bis zum 25. Lebensjahr in der Entwicklung. Besonders der präfrontale Kortex, der für Impulskontrolle und Aufmerksamkeit zuständig ist, ist noch nicht vollständig ausgebildet.

Genau diese Schwachstelle nutzt Tiktok aus. Der Algorithmus der App ist darauf programmiert, kontinuierlich Dopamin freizusetzen – den gleichen Botenstoff, der auch bei Drogenkonsum aktiviert wird.

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Viele Nutzer sind jünger als die offizielle Altersfreigabe von 13 Jahren. Folglich greift der Schutzmechanismus nicht. - Depositphotos

Studien zeigen, dass die Effekte auf das Belohnungssystem im Gehirn dieselben sind wie bei Alkohol oder Cannabis. Kinder entwickeln schnell das Verlangen nach immer mehr desselben und verlieren die Kontrolle über ihr Nutzungsverhalten.

Das «Tiktok-Brain»-Phänomen: Aufmerksamkeit und Konzentration? Fehlanzeige!

Wissenschaftler haben für die Auswirkungen von übermässigem Tiktok-Konsum einen eigenen Begriff geprägt: «Tiktok-Brain». Mehrere Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine intensive Nutzung solcher Medien zu einer Fragmentierung der Aufmerksamkeit und einem Abbau der Fähigkeit zur tiefen Konzentration führt.

Besonders alarmierend: Diese Effekte treffen Jugendliche deutlich stärker als Erwachsene. Die kurzen, schnell wechselnden Videos trainieren das Gehirn auf ständige Stimulation.

Gefährliche Challenges bedrohen Kinderleben

Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München, die über 2500 Tiktok-Videos analysierte, kam zu einem erschreckenden Ergebnis: 30 Prozent der Tiktok-Challenges sind potenziell schädlich, ein Prozent sogar potenziell tödlich.

Die «Salt and Ice Challenge» beispielsweise führt zu schweren Verbrennungen, wenn Salz und Eis auf die Haut aufgetragen werden. Bei der «Blackout Challenge» sollen sich Teilnehmer selbst strangulieren, bis sie ohnmächtig werden.

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Bei der «Salt and Ice Challenge» wird Salz auf die Haut gestreut und anschliessend ein Eiswürfel daraufgelegt. Die Challenge besteht darin, die Schmerzgrenze auszutesten. - Instagram/@dareapp

Auch ältere und sehr gefährliche Challenges wie die «Momo Challenge», bei der Kinder zu selbstverletzendem Verhalten aufgefordert werden, sind trotz angeblich strenger Tiktok-Regulierung bei mehr als 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen bekannt.

Die Challenges verbreiten sich nicht nur über Tiktok selbst, sondern auch über andere Kanäle und Mundpropaganda.

«Ich bin nicht gut und hübsch genug»: Verzerrte Körperbilder und Essstörungen

Tiktok-Trends wie #Skinnytok üben enormen Druck auf Kinder und Jugendliche aus, die sich ständig mit den gezeigten Körpern vergleichen. Solche unrealistischen Schönheitsideale fördern Essstörungen, Depressionen und ein schlechtes Selbstwertgefühl.

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Tiktok fördert oft unrealistische Darstellungen von Schönheit und Erfolg, was das Selbstbild und die Selbstwahrnehmung beeinträchtigt. - Depositphotos

Tiktok hat dabei den effektivsten Algorithmus entwickelt, um Nutzer in diese gefährlichen Inhalte hineinzuziehen. Nach durchtrainierten und scheinbar makellosen Menschen muss man auf der Plattform nicht lange suchen.

Schlafmangel und schulische Probleme: Kinderhirne werden ausgebremst

Die intensive Nutzung von Tiktok führt zudem zu massiven Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Das blaue Licht der Bildschirme hemmt die Produktion von Melatonin und bringt den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander.

Kinder, die nachts stundenlang durch Videos scrollen, sind am nächsten Tag müde, unkonzentriert und können dem Unterricht nicht folgen.

Die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne durch Tiktok macht es Kindern unmöglich, längere Texte zu lesen oder komplexe Aufgaben zu lösen. Lehrkräfte berichten von einer dramatischen Verschlechterung der Lernfähigkeit bei Schülern, die intensiv soziale Medien nutzen.

Nicht nur Mathe und Englisch: Auch Medienkompetenz will gelernt sein – Schulen in der Pflicht

Doch wie schützen wir unsere Kinder? Schulen müssen handyfreie Zonen einführen und Medienkompetenz als Pflichtfach etablieren. Nur durch systematische Aufklärung über die Gefahren von Tiktok können Kinder lernen, kritisch mit digitalen Inhalten umzugehen.

Die Politik muss handeln und strenge Altersbeschränkungen für soziale Medien durchsetzen. Wie das Beispiel Australien zeigt, sind Verbote für unter 16-Jährige nicht nur möglich, sondern auch wirksam.

schüler und schülerinnen
Medienkompetenz schützt vor Cybermobbing, unangemessenen Inhalten und Datenschutzrisiken, die auf Tiktok häufig auftreten. - Depositphotos

Plattformen wie Tiktok müssen zur Verantwortung gezogen werden und strengere Jugendschutzmassnahmen implementieren. Algorithmen, die gezielt auf die Schwächen von Kindergehirnen abzielen, gehören verboten.

Eltern können kritisches Denken fördern – Aufklärung statt Überwachung

Eltern müssen sich intensiv mit der digitalen Lebenswelt ihrer Kinder beschäftigen und selbst Medienkompetenz entwickeln. Nur wer die Gefahren versteht, kann seine Kinder effektiv schützen und begleiten.

Klare Regeln sind unerlässlich: Handys gehören nachts nicht ins Kinderzimmer, Bildschirmzeiten müssen begrenzt und kontrolliert werden. Technische Sicherheitsmassnahmen wie Jugendschutzfilter sollten selbstverständlich sein.

Der offene Dialog mit Kindern über gesehene Inhalte ist entscheidend für die Entwicklung kritischen Denkens. Eltern sollten Apps und Anwendungen gemeinsam mit ihren Kindern hinterfragen und alternative, kreative Beschäftigungen fördern.

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